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*Ricalina*

Heute möchte ich ein Erlebnis mit euch teilen, welches mich sehr berührt hat.

Dazu möchte ich ein wenig ausholen und euch die Thematik näherbringen:

Ricalina ist eine Pferdedame, die mich seit knapp 8 Jahren begleitet.

Ein Wesen in meinem Leben, welches mir gnadenlos meine Themen aufzeigt.

So hat unsere gemeinsame Verbindung in den letzten Jahren einige Phasen durchlebt, die oftmals für mich sehr zermürbend und frustrierend waren.

In den ersten wenigen Jahren, war Ricalina stets bemüht und gewillt, dem zu entsprechen, was ich von ihr verlangte.

Doch mehr und mehr, fing sie an, mir aufzuzeigen, dass zu entsprechen vielleicht nicht immer der Weg ist, auf dem man sich selbst treu sein kann.

Als ranghohes und sehr charakterstarkes Wesen, widersetzte sie sich vermehrt meinen Vorschlägen und zeigte mir eigentlich damals schon, dass sie sich eine Beziehung wünscht, die auf gegenseitiger Willensfreiheit beruht.

Es war bestimmt eine Entwicklung, die ich selbst auch durchlaufen habe und Ricalina spiegelte diese Situation im Außen, allerdings konnte ich ihre Auflehnung noch nicht anerkennen und noch nicht sehen, dass auch sie an Stärke gewinnt und dass sie sich gegenüber äußeren Einflüssen schützen möchte.

Es war ihr nicht mehr möglich, meinen Bedürfnissen zu entsprechen, weil sie dabei zu viel zurückstecken müsste.

Immer wieder wurde ich auf meine Erwartungshaltung, meinen Ehrgeiz und viele weiteren Themen, zurückgeworfen.

An unzähligen Tagen, hängte ich mein Vorhaben mit ihr an den Nagel und zog „unverrichteter Dinge“, bedrückt von Dannen.

Vor einigen Jahren, gab es einen Moment der völligen Verzweiflung.

Ich kam an einen Punkt, an dem ich nicht mehr weiterwusste.

Ricalina weigerte sich vermehrt, den Stall bzw. die Wiese mit mir zu verlassen. Sie war für keinen meiner Vorschläge mehr zu haben.

Die einst vorhandene Verbindung, schien für mich verloren zu gehen und dies veranlasste mich dazu, die Entscheidung zu treffen, sie einfach sein zu lassen.

Ich kapitulierte und hörte auf, mit ihr zu diskutieren.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich akzeptieren konnte, dass es nun mal so ist wie es ist.

Ich wollte nichts mehr von ihr. Meine ganzen Erwartungen waren verschwunden, weil ich sah, dass Nichts mehr „funktionierte“.

Mein Pferd, unsere Beziehung zu einander, „funktionierte“ nicht mehr.

Ich war an einem Punkt, wo ich mir auch vorstellen konnte, sie ihr Leben lang auf der Wiese stehen zu lassen und ihr die bestmöglichste Haltung zu bieten, sie aber nie wieder herauszunehmen.

Es schien mir so, als wünschte sie sich keinen Kontakt mehr zu mir.

Diese Zeit war enorm wichtig für mich, um zu reflektieren.

Ich war so bedrückt, dass „mein eigenes“ Pferd mich nicht für würdig empfand.

Es folgten Wochen, Monate, in denen ich nur auf der Koppel saß und die Pferde beobachtete.

Ich nahm meine Bedürfnisse zurück, ließ sie los und wollte von neuem beginnen.

Meinen Kontakt und meine Verbindung zu Pferden neu aufbauen, beruhend auf dem was passiert, ohne etwas zu erzwingen, oder sich etwas zu erwarten.

Schon bald, begann ich diese Zeit des „Nichtstuns“ zu genießen und wurde immer sensibler auf kleine Signale und konnte immer mehr sehen, was mir vorher entging.

Mir fiel auf, dass wann immer ich auch bei den Pferden war, Ricalina zwar nicht sofort her kam, mich allerdings immer beobachtete. Sie knabberte ihr Gras, gleichzeitig beobachtete sie mich von nah und fern aus dem Augenwinkel.

Ich begann alleine diese Gestik der Aufmerksamkeit zu schätzen.

Ich hatte das Gefühl, dass sie Mein Dasein schätzte.

Mir wurde bewusst, dass die gemeinsame Beziehung, nicht davon abhängt, was im Außen sichtbar ist.

Ich fühlte mich mit ihr verbunden und es spielte keine Rolle, ob sie herkam und sich „offensichtlich“ für mich interessierte, oder ob sie mir aus der Entfernung, wenn auch nur einen flüchtigen Blick zuwarf.

Nach und nach wurde mir bewusst, welche Erwartungen ich eigentlich an meine Pferde hatte und dass mein Zusammensein und meine Zufriedenheit mit ihnen, ganz eindeutig an Bedingungen geknüpft waren.

Wenn Ricalina beispielsweise nicht mit mir mitkommen wollte, war ich wütend und traurig. Ich konnte ihre Antwort auf meine Frage, nicht akzeptieren, ohne sie zu werten.

Mir wurde klar, dass dies jedenfalls nicht die Art von Beziehung ist, die ich mit ihnen führen möchte. Auch damals strebte ich nach einer Verbindung mit ihnen, in der wir frei sein können. Frei zu entscheiden und frei uns zu entfalten.

Ich stellte mir in den schillerndsten Farben vor, was meine Pferde und ich mit einander tun könnten und dass sie dabei immer „frei“ sind.

Ich hatte nur offensichtlich keine Vorstellung davon, was dies bedeutet.

In dem ich meine Pferde eben nicht frei entscheiden ließ und an meinen Vorstellungen und Bedürfnissen festhielt, verwehrten sie mir diese Art von Kontakt.

Sie waren es, die mich darauf aufmerksam machten, dass unsere Beziehung, nicht auf gegenseitiger Freiheit beruhte.

Alleine mit meiner Vorstellung, sie mögen frei mit mir spazieren, energievoll mit mir am Reitplatz herumturnen usw. schränkte ich unsere Beziehung ein und verlangte womöglich etwas von unserer Beziehung, zu dem diese noch nicht bereit war.

Ich war noch nicht an dem Punkt, an dem ich jegliche Form von Dialog bedingungslos annehmen konnte, ohne zu werten.

Ich musste mich diesem Prozess hingeben, um mir selbst auf die Schliche zu kommen.

Es folgten also Monate des „Nichtstuns“.

Mir war wichtig, mich komplett zurückzunehmen und Ricalina den „ersten Schritt“ machen zu lassen. Ich ließ sie entscheiden, ob sie Körperkontakt haben möchte und ließ sie, in diesem Fall, auf mich zukommen.

Ich ging nicht mehr hin und suchte ihre Nähe, sondern ließ sie entscheiden.

Ich versuchte herauszufinden, welchen Kontakt sie sich zu mir wünscht.

Ich saß oder stand also nur da und manchmal ging sie auf mich zu, ließ sich streicheln, graste neben mir, ging wieder weg, kam wieder...

Nach und nach begann sie, wen ich da war, den Kontakt zu suchen, in dem sie um mich herumgraste. Wenn ich auf der Koppel saß, kam sie immer näher und blieb dann grasend oder dösend in meiner Nähe.

Diese Art von Wertschätzung ehrte mich unglaublich und ich bekam langsam ein Empfinden dafür, was es bedeutet, dem Pferd wirklich die Freiheit in der Beziehung zu geben.

Manchmal entschied Ricalina sich dazu, mit mir zu sein und manchmal hatte sie eben Anderes vor und würdigte mich oftmals nur mit einem kurzen Blick und vertiefte sich dann wieder in ihre Tätigkeiten.

Ich bemühte mich stets, ihrer Reaktion auf mein Dasein nicht zu werten, sondern einfach nur da zu sein und das, was passierte zu genießen.

Und so verbrachten wir die Zeit miteinander.

Ich habe in dieser Zeit ganz bewusst darauf verzichtet, Leckerlies oder Futter mitzubringen, da ich herausfinden wollte, welche Art von Kontakt, ohne äußere Einflüsse entsteht.

Neben der direkten Thematik mit Ricalina, reflektierte ich auch viel über mein persönliches Leben. Da ich überzeugt davon bin, dass jede Situation im Außen, einen Ursprung im Inneren hat.

Mir fiel unter anderem auf, dass ich mir, in mehreren Lebensbereichen, nicht mehr treu war. Dass ich unter anderem auch Menschenbeziehungen führte, die nicht auf gegenseitigem Respekt beruhten.

Ich machte mich also daran, diese Umstände zu verändern.

Relativ schnell hatte ich das Gefühl, wieder eine tiefe Verbindung mit (mir selbst und..) dieser besonderen Stute einzugehen und es spielte relativ bald keine Rolle mehr, wo wir uns aufhielten, ob wir den Stall verließen oder nicht etc.

Ich wanderte mit ihr gemeinsam über die Wiesen, beobachtete sie beim Grasen, spazierte mit der Herde mit und genoss einfach die Zeit mit diesen wunderbaren Wesen.

Nicht, dass ich das nicht davor auch schon so betrieben hatte, allerdings kam es mir eben jetzt bewusster vor.

Erstmals dachte ich darüber nach, ob es überhaupt ein Wunsch von den Pferden sein kann, mit mir die Herde zu verlassen.

Ob es nicht eigentlich anmaßend ist, auf Besuch bei ihnen zu sein und zu erwarten, sie würden allzeitbereit, mit mir das von mir gewählte Programm durchführen.

Es dauerte eine Zeit lang, bis ich es wieder wagte, Ricalina zu fragen, ob sie mit mir hinausgehen möchte.

Und siehe da, die Thematik war zwar noch in Ansätzen vorhanden, allerdings ging sie nach mehreren kurzen Unterbrechungen, mit mir mit.

Ricalina weiß jetzt, dass ihr „Unwillen“ respektiert wird und dass sie mitentscheiden kann, was wir unternehmen.

Manchmal bedarf es etwas an Überredungskunst ;), allerdings läuft dabei alles friedlich ab und ich muss nicht mehr niedergeschlagen sein, wenn ich ein „Nein“ akzeptieren muss.

Das Sein mit den Tieren wurde zu einem Dialog. Alle Bedürfnisse haben Raum, doch keine Erwartungen müssen erfüllt werden.

In letzter Zeit wurde es immer seltener, dass Ricalina bei einem Spaziergang stehen blieb und wenn, dann nur um noch einen Blick zurück zur Herde zu werfen.

Letztens war ich also bei den Pferden, führte einen frischen Heuballen in die Futterraufe und als ich damit fertig war, stand Ricalina am Zaun und wollte hinaus.

Alleine diese Geste ehrte mich sehr, da die Pferde ja gerade frisches Futter bekommen hatten und sie wollte trotzdem zu mir herauskommen.

Ich öffnete also den Zaun und Ricalina ging frohen Mutes an mir vorbei und wartete, bis ich den Zaun wieder geschlossen hatte.

Ich vermutete, dass sie hinuntergehen wollte zum Stall, da sie dort ab und zu ihr Futter bekam.

Ich ging also mit ihr den Weg hinunter, an dem man rechts Richtung Stall abbiegen kann.

Ich rechnete also damit, dass sie dorthin gehen würde.

Als ich bei der Abzweigung stehen blieb, blieb sie bei mir, anstatt selbständig in den Stall zu gehen und ich wusste für einen Moment nicht, was ich tun sollte.

Ich war völlig verunsichert, weil ich nicht wusste, was sie denn eigentlich tun wollte? Sie entschied sich, mit mir zu sein? Ja sogar mit mir „hinauszugehen“?

Ich ging also den Weg weiter hinunter und sie ging munter neben mir her.

Selbst an einer Abzweigung, an der es wiederum Richtung Stall geht, an der sie für gewöhnlich immer ein paar Momente stehen bleibt, um sich umzudrehen und um zu überlegen, ob sie mitkommen möchte oder nicht, ging sie unbeirrt einfach neben mir her.

Der Weg in den Wald führt über Feldwege zu einer Wiese, die auch zu unserem Stall dazu gehört.

Jedes Mal, wenn ich diese Wiese überquere, wird Ricalina übermütig und läuft buckelnd, quiekend um mich herum. (Ich gehe meistens mit einem 10m Seil spazieren)

Diesmal war sie also frei und als wir bei der Wiese waren, lief sie plötzlich los. Sie buckelte, quiekte, galoppierte wild um mich herum, tobte sich aus und ich rechnete fest damit, dass sie kehrtmachen würde, um in den Stall zurückzulaufen, der in Sichtweite nur ein paar 100 Meter entfernt war.

Doch dann blieb sie plötzlich stehen, wendete sich mir zu und wartete bis ich bei ihr war.

Danach gingen wir seelenruhig weiter und unternahmen einen Spaziergang durch den Wald.

Ich empfand diesen Spaziergang als derartiges Geschenk. Ich konnte nicht fassen, dass dieses willensstarke, wunderbare Wesen einfach beschlossen hatte, heute mit mir hinaus zu gehen.

Es war das erste Mal, dass sie mich fragte, ob wir gemeinsam ein Abenteuer außerhalb des Stallgeländes erleben wollen.

Für gewöhnlich war ich es, die diesen Vorschlag einbrachte.

Ich fühle mich so bestärkt in der Beziehung zu ihr und ich weiß, dass Ricalina auch wieder Nein sagen wird und dass ich vielleicht auch wieder einmal bedrückt sein werde dadurch.

Allerdings habe ich nun so viel Vertrauen in unsere Verbindung, dass ich nicht nachhaltig daran zweifle und dass es einfach ein Dialog ist, so wie in jeder anderen Beziehung auch.

Dass es natürlich notwendig ist, Situationen zu hinterfragen, dass aber der Schlüssel zur Lösung oft nicht im direkten Arbeiten an der Thematik liegt, sondern oft in uns selbst verborgen ist.

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